Kleinste Fluggeräte als Sensorträger in Katastrophenszenarien

Neben zahlreichen anderen Aufgaben werden im Rahmen von VABENE++ auch die Einsatzmöglichkeiten kleiner, unbemannter Fluggeräte (engl. Micro Aerial Vehicles – MAVs, siehe Abb. 1) für Großereignisse und Katastrophen untersucht. Insbesondere für Einsätze bei beschädigter oder fehlender Infrastruktur eignen sich MAVs hervorragend, da sie leicht transportiert werden können.

Abb. 1: Bild eines Quadrocopter MAVs, wie sie am Institut für Kommunikation und Navigation des DLR verwendet werden: neben der käuflichen Flugplattform (hier von Ascending Technologies) sind ein Raspberry Pi, eine WLAN-Antenne und einige Sensoren mit an Bord.

Der entscheidende Vorteil ist aber ihre Beweglichkeit und freie Positionierbarkeit im Raum: es können sehr einfach Daten von erhöhten Positionen aufgenommen werden, für die sonst größere Geräte notwendig wären. Beispielsweise kann man in den zwei Bildern in Abb. 2 den gleichen, beschädigten Boilerturm sehen, aber nur auf der Aufnahme vom MAV aus erkennt man den blauen, größtenteils unbeschädigten, Balken an dem der eigentliche Boiler aufgehängt ist.

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Abb. 2: Ansicht eines Reaktorturms im Kraftwerk in Vasilikos, Zypern, nach einem Zwischenfall im Juli 2011. Strukturelle Schäden am Gerüst des insgesamt 15-Stöckigen Gebäudes sind schon vom Boden aus zu erkennen.

In solchen Einsätzen im Umfeld des Katastrophenschutzes haben Fachleute und Entscheidungsträger vor Ort die schnelle Verfügbarkeit von mit MAVs generierten Lagebildern oder auch Detailaufnahmen sehr oft positiv bewertet. Meist wurde eine deutlich höhere Anzahl von Aufnahmen gewünscht, als in den kurzen Flugphasen zu Beginn der Einsätze realisierbar waren. Allerdings haben MAVs auch einige Schwachstellen: so ist z.B. ihre Flugzeit meist auf 10-20 Minuten begrenzt. Der entscheidende Punkt bei der Aufnahme von Bildern ist allerdings ein Operator pro MAV, der das MAV steuert: er setzt die Anforderungen der Datenempfänger an zu erstellende Aufnahmen in Steuerkommandos für sein MAV um. Gleichzeitig muss er jedoch zahlreiche externe Faktoren, wie z.B. verbleibende Flugzeit, Abstand zu Hindernissen sowie den Wind in der Umgebung im Auge behalten. Diese Punkte begrenzen üblicherweise die Anzahl an Bildern pro Flug sowie die Gesamtzahl an Flügen.

Das Institut für Kommunikation und Navigation (IKN) beschäftigt sich mit Methoden für den automatischen Einsatz von MAVs. Ziel ist dabei immer die Steigerung der Effizienz der Datenaufnahme.

Das Anfliegen einzelner GPS-Wegpunkte stellt für kommerziell verfügbare MAVs inzwischen nahezu eine Standardfunktion dar. Im Zusammenwirken mit Sensoren zur Hinderniserkennung und einem kleinen Rechner an Bord (verwendet werden günstige Raspberry Pis) können definierte Wegpunkte angeflogen und Aufnahmen automatisch ausgelöst werden. Ziel der Arbeiten am IKN ist darüber hinaus die Koordinierung mehrerer MAVs zum gemeinsamen, schnellen Erkunden vordefinierter Gebiete. Durch die Arbeiten am IKN werden damit Piloten entlastet, da die MAVs größtenteils automatisch fliegen, und die erfassten Gebiete vergrößert.

In diesem Jahr wurden dafür am IKN erste Versuchsflüge unternommen. Getestet wurden dabei die Hindernisvermeidung (vorerst nur mit dem Boden) sowie ein Algorithmus zur Organisation mehrerer MAVs ohne Zusammenstöße. Der neu entwickelte, verteilte Algorithmus wird dabei ebenfalls von den Raspberry Pis ausgeführt und benennt für alle MAVs in einer Gruppe kollisionsfreie Wegpunkte mit definiertem Abstand vom Boden. Im Hintergrund arbeiten dabei Erkundungsalgorithmen, die den einzelnen MAVs eine Strategie zum Erfassen ihrer Umgebung geben. Diese Erkundungsalgorithmen stellen einen weiteren Forschungsschwerpunkt am IKN dar. Dabei werden verschiedene Ziele verfolgt, wie zum Beispiel die Aufnahme von Daten an möglichst informativen Stellen oder das möglichst effiziente Erkunden eines vorgegebenen Gebiets.

Im IKN können Versuche zum Testen der Algorithmen zuerst im Labor unter genauer Beobachtung durchgeführt werden. Ein System von Kameras kann dabei die Position der einzelnen MAVs äußerst akkurat erfassen. Experimente im Labor sind von Witterungsbedingungen unbeeinflusst, allerdings räumlich auch stark begrenzt. Ein Versuchsflug mit zwei MAVs ist in Abb. 3 und 4 festgehalten:

Abb. 3: Animation der aufgezeichneten Pfade der Exploration in einem Versuchsfeld mit 9x5 zu vermessenden Zellen im Labor mit je 1m/0,7m Abstand. Die Flugbahnen der beiden MAVs sind in Orange bzw. Blau dargestellt.

Abb. 4: Aufgezeichnete Pfade der Exploration in einem Versuchsfeld mit 9x5 zu vermessenden Zellen im Labor mit je 1m/0,7m Abstand. Die Flugbahnen der beiden MAVs sind in Orange bzw. Blau dargestellt.

Wenn die Versuche im Labor erfolgreich verlaufen sind, werden sie vollständig ins freie verlagert. Hier können deutlich raumgreifendere Experimente durchgeführt werden, die aber mit der weniger genauen Positionierung per GPS auskommen müssen (siehe Abb. 5 und 6).

Abb. 5: Animation des aufgezeichneten Pfads der Exploration in einem Versuchsfeld mit 5x5 zu vermessenden Zellen mit je 3,5m Abstand. Die Flugbahn des einzenen MAVs ist Orange, die Ziel-punkte werden in der Reihenfolge der Exploration mit blauen Linien verbunden.

Abb. 6: Aufgezeichneter Pfad der Exploration in einem Versuchsfeld mit 5x5 zu vermessenden Zellen mit je 3,5m Abstand. Die Flugbahn des einzenen MAVs ist Orange, die Zielpunkte wurden in der Reihenfolge der Exploration mit blauen Linien verbunden.


Bei allen Experimenten verbleibt noch immer ein Operator pro MAV als Sicherheitspilot am Boden, dessen Aufgabe allerdings nicht mehr die vollständige Steuerung des MAVs ist, sondern nur noch die Überwachung des Messvorganges. Diese Notwendigkeit stellt allerdings eine zusätzliche Herausforderung für die entwickelten Algorithmen dar: dem Sicherheitspiloten sollte immer klar sein, wie die Erkundung weiter verlaufen wird, da er bei unvorhergesehenem Verhalten eingreifen muss, um das MAV sicher zu landen. Üblicherweise wird diese Kommunikation vom Flugroboter zum Sicherheitspiloten erreicht durch abwechselndes Drehen in die nächste Flugrichtung und tatsächliches Fliegen in diese Richtung. Je nach Komplexität des Erkundungsalgorithmus kann diese Mensch-Maschine-Schnittstelle aber auch komplexer werden.

Die ersten Versuchsflüge in diesem Jahr waren Erfolgreich und sollen über den Winter im Labor und im nächsten Jahr auch wieder im Freien fortgeführt werden. Ziele dabei sind zuerst die Hindernisvermeidung in alle Richtungen sowie darauf aufbauend das Einführen intelligenter Erkundungsmethoden. Das Ziel im Rahmen von VABENE ist dabei ein Einsatzfähiges System bis 2017.