Testen des Zugsicherungssystems im ETCS-Labor – Herausforderungen und Lösungen

 

Im Eisenbahnlabor RailSiTe® erforscht das DLR seit circa 10 Jahren neue Konzepte und Verfahren zur schnelleren Inbetriebnahme von komplexen Kommunikationssystemen für den Straßen- und Schienenverkehr. Die Relevanz dieses Themas und der Bedarf an neuen Testverfahren zeigen regelmäßige Meldungen von Verzögerungen im Betriebsablauf durch das Sicherungssystem "European Train Control System“ (ETCS). Mit diesem System und den Tests für diese Systeme beschäftigt sich auch das DLR im Rahmen seiner Forschungsarbeiten intensiv.

Herausforderungen beim Testen von ETCS

Störungen sind bei der Inbetriebnahme komplexer Systeme wie ETCS nicht unüblich. Auch in anderen europäischen Ländern gibt es ähnliche Vorfälle. Trotz vorschriftsmäßiger und umfangreicher Tests treten im realen Betrieb immer wieder Situationen auf, die noch nicht getestet wurden. Aufgrund der hohen Sicherheitsansprüche im Eisenbahnverkehr werden nach wie vor bewährte und geprüfte Methoden für den Test- und Zulassungsprozess angewendet. Diese Methoden sind, historisch bedingt, eher für die Prüfung von Maschinenbauelementen und verhältnismäßig einfachen Kommunikationssystemen ausgelegt.

Beispielsweise überträgt die seit Jahrzehnten im Einsatz befindliche Punktförmige Zugbeeinflussung (PZB), ein Vorgänger von ETCS, nur "ein Bit", also das Signal "AN/AUS", von der Strecke an den Zug. Damit konnte nicht viel mehr Information übermittelt werden, als „Bremsen“ oder „nicht Bremsen“. Mit ETCS werden nun bis zu 1023 Bit zwischen Strecke und Zug ausgetauscht. Es wird zum Beispiel die genaue Position, die aktuelle Geschwindigkeit oder sogar das Gewicht des Zuges übertragen. Dadurch wird eine höhere Genauigkeit erzeugt, die eine effizientere Steuerung des Bahnbetriebs ermöglicht. Ein vollständiger Test aller möglichen Kombinationen ist im Feld  jedoch nicht möglich.

Das Test- und Prüflabor RailSiTe®

 

An dieser Stelle setzen die Forschungsarbeiten des DLR an. Das Test- und Prüflabor RailSiTe® des Instituts für Verkehrssystemtechnik nutzt die digitalen Eigenschaften von ETCS und führt simulierte Testfahrten in einer Laborumgebung durch. Durch eine hochgenaue Simulation bzw. Emulation an allen relevanten Systemschnittstellen können äußerst belastbare und reproduzierbare Testergebnisse erarbeitet werden, bevor die reale Strecke existiert oder in Betrieb genommen wird. Streckenkonfigurationen können ebenso geprüft werden wie zugseitige Sicherungsrechner. Die Labortests werden dabei vollautomatisiert durchgeführt, so dass auch mit geringeren Laufzeiten sehr umfangreiche Tests stattfinden können. Diese Technologie kann ebenso auch für die Einführung neuer Züge auf bestehenden Strecken genutzt werden. Durchgeführte Fahrten aus dem realen Betrieb können aufgezeichnet und anschließend hochgenau im Labor reproduziert werden. Diese Art der Labortests spart erhebliche Kosten, kann parallel zum Bau der Strecke durchgeführt werden und bietet einen ersten Schritt in Richtung simulationsbasierter Zulassung. Die eingesparte Testzeit auf den realen Strecken kann dann effizienter für eine Validierung, also für die Überprüfung der Äquivalenz von Labor- und Feldtest genutzt werden.

Nur durch die konsequente Anwendung von Labortests und deren Weiterentwicklung sowie die stärkere Integration in den Zulassungsprozess kann zukünftig ein konkurrenzfähiger Bahnbetrieb gewährleistet werden. Interoperabilität und Konformität, wie sie von ETCS auf europäischer Ebene gefordert wird, ist dabei ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zu einem wettbewerbsfähigen und attraktiven Bahnverkehr innerhalb Europas.