Realexperiment „Temporärer Stadtplatz Klausenerplatz Kiez“

„Verkehrswende“ bedeutet auch, die Verteilung des öffentlichen Raums grundsätzlich zu überdenken. Insbesondere in Städten ist der öffentliche Raum zu einer knappen Ressource geworden, die unterschiedlich genutzt werden kann. Welche Möglichkeiten und Vorstellungen gibt es wenn der öffentliche Raum neu verteilt würde? Welche Wünsche haben beispielsweise AnwohnerInnen und NutzerInnen an ihre städtische Umgebung, wie würden Menschen ihre direkte öffentliche Umgebung umgestalten, wenn sie die Möglichkeit hierzu hätten? Diesen und ähnlichen Fragen ist das DLR Institut für Verkehrsforschung im Rahmen der Forschungsgruppe EXPERI mithilfe eines Realexperiments in Berlin auf den Grund gegangen. Hierzu wurde von Ende September bis 1. November 2020 unter wissenschaftlicher Begleitung durch das Institut eine Kreuzung im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf in einen Stadtplatz umgewandelt. Den Anwohnern und Anwohnerinnen sowie Gewerbetreibenden wurde hierdurch die Möglichkeiten geboten , die Straßenflächen an der Kreuzung Wundtstraße/Horstweg neu zu denken und mit zu gestalten. Für die temporär reduzierten Parkplätze wurden den direkten Anwohnern und Anwohnerinnen dabei alternative Parkmöglichkeiten auf einem REWE-Parkplatz angeboten, der etwa acht Gehminuten von dem Stadtplatz entfernt liegt.

Wem gehört die Stadt?

 

 

In Deutschland nehmen Autos aktuell viel Platz im öffentlichen Raum ein, erheblich mehr als Fahrzeuge des öffentlichen Verkehrs oder Fahrräder. In Berlin beispielsweise entfallen 58% der Verkehrsflächen auf den fahrenden und parkenden Pkw-Verkehr (Agentur für clevere Städte 2014 ). Dabei werden Pkws im Durchschnitt ganze 23 Stunden am Tag nur geparkt und dominieren – ob fahrend oder stehend –  häufig das Straßenbild, wie auch hier an der Berliner Kreuzung Wundtstraße/ Horstweg.

 

 

 

Für andere Zwecke des öffentlichen Lebens bleibt dadurch weniger Fläche übrig. Zahlen der Agora Verkehrswende zeigen zum Beispiel, dass alleine in Berlin zehnmal so viel öffentlicher Platz für Parkmöglichkeiten zur Verfügung steht wie für Spielplätze, also für Kinder. Dabei besitzt weniger als die Hälfte der Haushalte innerhalb der inneren Stadt von Berlin (die in etwa der Fläche innerhalb des S-Bahnrings entspricht) einen Pkw, und die Menschen, die hier wohnen, legen den Großteil der täglichen Wege (82%) zu Fuß, mit dem Fahrrad oder öffentlichen Verkehrsmitteln zurück (Quelle: SrV 2013). Deswegen ist es wichtig zu fragen, wie öffentlicher Raum so gestaltet werden kann, dass er möglichst vielen Menschen zugutekommt und aktive Mobilität fördern kann. 

Stadtraum neu denken: „Temporärer Stadtplatz Klausenerplatz Kiez“

Mit dem Projekt „Temporärer Stadtplatz Klausenerplatz Kiez“ wollte das Institut für Verkehrsforschung untersuchen, wie sich öffentlicher Raum umwandeln lässt. Gleichzeitig wollten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verstehen, welchen Einfluss eine solche Umgestaltung auf das tägliche Mobilitätsverhalten der Menschen hat. Beispielsweise könnte die temporäre Öffnung der Berliner Kreuzung Horstweg/ Wundtstraße für den Fuß- und Radverkehr z.B. dazu führen, dass Menschen sich vermehrt und lieber im öffentlichen Raum aufhalten als vorher oder der auf Zeit geschaffene Stadtplatz die Nachbarschaft zu Begegnungen und Gesprächen anregt. Im Rahmen der Untersuchungen wurden Verkehrszählungen, quantitativen Befragungen und Interviews durchgeführt. Außerdem sollte die Nachbarschaft durch aktive Beteiligung und gemeinsame Gestaltungsaktivitäten dazu angeregt werden, eigene Ideen und Gestaltungswünsche einzubringen und umzusetzen. So wurden zum Beispiel Baumscheiben am Stadtplatz gemeinsam begrünt, neue Sitzgelegenheiten gebaut und in offenen Versammlungen mit Kindern und Erwachsenen weitere Gestaltungsideen diskutiert.

 

 

 

Das Umwandlungsprojekt wurde in Abstimmung mit dem Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf beschlossen. Hierzu wurde von der Straßenverkehrsbehörde eine sogenannte Anordnung nach § 45 StVO erteilt.  Das Realexperiment ist Teil des größeren Verbundprojekts „EXPERI – Die Verkehrswende als sozial-ökologisches Realexperiment“, mit dem erforscht werden soll wie die sozial-ökologische Verkehrswende in Metropolregionen gelingen kann. Der Projektverbund EXPERI besteht aus der Technischen Universität Berlin, dem Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung (IASS) und dem DLR Institut für Verkehrsforschung. EXPERI wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Programm Forschung für Nachhaltige Entwicklung (FONA) gefördert.