DLR-Befragung: Wie verändert Corona unsere Mobilität?

05.05.2020

Das Auto als Gewinner unter den Verkehrsmitteln in der Krise

Der privat genutzte Pkw weist gegenüber anderen Verkehrsmitteln aktuell einen deutlichen Wohlfühlfaktor auf. Fast alle Befragten geben an, sich im Auto wohler oder genauso wohl zu fühlen wie vor der Krise. Das ist bei keinem anderen Verkehrsmittel der Fall. Zu den großen Verlierern gehören alle öffentlichen Verkehrsmittel. Ob Nahverkehr, Fernverkehr, Carsharing oder Flugzeug: Die Nutzung bricht ein, gleichzeitig fühlen sich die Menschen deutlich unwohler bei der Nutzung oder bei der Vorstellung, sie zu nutzen. Das Fahrrad als individuelles Verkehrsmittel schneidet hingegen vergleichsweise gut ab.

Das Unbehagen in Zusammenhang mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist nicht in allen Bevölkerungsgruppen gleich ausgeprägt. Frauen sehen die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel in der aktuellen Situation kritischer als Männer, besonders unwohl fühlen sich zudem junge Personen und Städter. Dies sind genau die Gruppen, die im normalen Alltag häufig öffentliche Verkehrsmittel nutzen. Daher zeigt sich auch: Wer häufig öffentliche Verkehrsmittel im Nah- oder Fernverkehr nutzt, verbindet in der aktuellen Situation ein größeres Unbehagen mit deren Nutzung als Wenig- und Nicht-Nutzer. Lediglich bei Carsharing ergibt sich ein anderes Bild: Die wenigen in der Studie befragten Carsharing-Mitglieder geben im Vergleich zur Gesamtbevölkerung deutlich häufiger an, dass sie sich im Carsharing-Fahrzeug aktuell wohler zu fühlen (würden). Da auch Verkehrsmittel des öffentlichen Personennahverkehrs eine hohe Bedeutung im Alltag von Carsharing-Mitgliedern haben, mag das Carsharing-Fahrzeug für diese Gruppe aktuell ein höheres Maß an Sicherheit vermitteln. Zu höheren Nutzungszahlen führt dies allerdings nicht. Die Carsharing-Branche ist genauso vom Einbruch der Nutzungszahlen betroffen wie der öffentliche Personennahverkehr.
 

Auswertung Diagramm

 

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Rund ein Drittel der Menschen aus Haushalten ohne Auto (das sind in Deutschland etwas mehr als 20%) vermissen den Pkw als Verkehrsmittel in der aktuellen Situation. Dabei handelt es sich besonders oft um junge Menschen, Personen in Stadtregionen und etwas häufiger um Frauen als um Männer. Auch hier handelt es sich genau um die Personengruppen, die im Vergleich zur Gesamtbevölkerung weniger gut mit Pkw ausgestattet sind. Sechs Prozent aller Personen ohne Auto im Haushalt denken aufgrund der Verbreitung des Coronavirus über die Anschaffung eines Pkw nach.

 

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Im Fokus stehen Einkäufe für den täglichen Bedarf und vermehrt Onlineeinkäufe

Seit Beginn der Pandemie kaufen sechzig Prozent der Befragten seltener für den täglichen Bedarf ein. Ein weiteres Drittel geht genauso häufig einkaufen wie zuvor und nur fünf Prozent verzichten komplett auf Einkäufe. Alter und Wohnort spielen dabei kaum eine Rolle. Die große Mehrzahl bleibt den gewohnten Supermärkten und Geschäften treu.

 

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Der Großteil der Befragten, die während der Corona-Pandemie einkaufen gehen, nutzen hierfür den Pkw: 57% berichten, dass sie nur den Pkw nutzen und 13% geben an, dass sie mehrere Verkehrsmittel nutzen, wobei der Pkw eines davon ist. Zum Vergleich: Befragt nach der Verkehrsmittelwahl im normalen Alltag, bzw. vor Corona nutzen 46% der Befragten hauptsächlich den Pkw und weitere 18% wechseln im normalen Alltag für Einkäufe des täglichen Bedarfs zwischen verschiedenen Verkehrsmitteln, wobei sie auch den Pkw nutzen.

Vergleicht man die Änderungen der individuellen Präferenzen in der Verkehrsmittelwahl  (nicht in der Grafik dargestellt), dann fällt auf, dass fast alle Befragten, die im normalen Alltag hauptsächlich den Pkw zum  Einkaufen nutzen, dies auch in der Krise tun. In der Gruppe der Personen, die im normalen Alltag hauptsächlich den öffentliche Verkehrsmittel zum Einkaufen nutzt, ist das Bild ein anderes: Rund die Hälfte nutzen den öffentliche Verkehrsmittel in der Krise nicht mehr.

 

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Zudem gehen 30% der Befragten aufgrund des Coronavirus für andere Personen einkaufen. In der Bevölkerungsgruppe der jungen Erwachsenen zwischen 18- bis 24 Jährigen ist dieser Anteil im Vergleich zum Bevölkerungsdurchschnitt deutlich höher: 57% der jungen Erwachsenen erledigen aufgrund des Coronavirus Einkäufe für andere.

 

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Ein Viertel der Befragten shoppen aufgrund von Corona vermehrt online. Darunter sind viele unter 35 Jahren, die auch vorher oft im Internet bestellt haben. Häufigste Produkte beim Online-Einkauf sind Drogerieartikel (55% der Befragten mit Online-Einkäufen aufgrund von Corona bestellten diese Produktgruppe zumindest einmal), Bekleidung (51%) und Medikamente (50%).

 

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Corona führt zu starken Einschränkungen in der Reisetätigkeit

Die Reisetätigkeit musste durch Corona stark eingeschränkt werden. Ein Drittel der Befragten hat in der Zeit von Mitte März bis Ende April auf private Reisen mit mindestens einer Übernachtung, das heißt z.B. einen Urlaub oder den Besuch von Freunden und Verwandten, verzichtet. Im Durchschnitt sind bei diesen Personen 1,6 Reisen entfallen. Auch Sommerurlaube sind betroffen: 44% haben bereits einen solchen geplant, knapp die Hälfte davon hat bereits eine Buchung durchgeführt. Zum Zeitpunkt der Erhebung in der Woche vor Ostern hoffen zwei Dritteln den Urlaub im Sommer antreten zu können. Ein Viertel hat den Urlaub bereits storniert oder vor, diesen zu stornieren.

 

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Zufriedenheit bei Home Office-Arbeit und geringere Nutzung der Öffentlichen Verkehrsmittel

Die Mehrheit der befragten Erwerbstätigen(68%) sucht den Arbeitsort auch aktuell noch auf. Bei ihrer Verkehrsmittelwahl zeigt sich ein deutlicher Rückgang bei der Nutzung von Öffentlichen Verkehrsmitteln – zum Teil zu Gunsten des Autos.

 

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Insgesamt bewertet die Mehrheit der Befragten, die im Home Office arbeiten, diese Option als positiv. Die Mehrheit derer (59%), die aktuell von Zuhause aus arbeiten, kann sich vorstellen, dies auch langfristig vermehrt zu tun. Mindestens die Hälfte der Befragten, die im Home Office arbeiten, ist mit den dafür vorhandenen Rahmenbedingungen zufrieden. Zu den am häufigsten genannten positiven Aspekten der Arbeit von zu Hause gehören die flexible Gestaltung der Arbeit bzw. die freie Zeiteinteilung sowie der Wegfall des Arbeitsweges. Auch die Möglichkeit mehr Zeit mit der Familie/ Partner zu verbringen und die Ruhe zu Hause werden als positive Seiten des Home Office genannt. Gleichzeitig nennen die Befragten, die aktuell von zu Hause arbeiten, auch einige Nachteile des Home Office – am häufigsten werden der persönliche Kontakt zu Kollegen oder Kunden genannt; auch die fehlende/ mangelhafte technische Ausstattung und die erschwerte Trennung zwischen Arbeit und Privatem bzw. die hohe Ablenkungsgefahr zu Hause wurden häufig als negative Seiten der Arbeit von zu Hause beschrieben.

Weitere Aktivitäten im „neuen Alltag“

Rund die Hälfte aller Befragten hat das Haus zudem innerhalb der letzten Woche für sonstige Wege verlassen, beispielsweise für Sport im Freien, Arzttermine oder Besuche. Junge Erwachsene zwischen 18 und 24 Jahren sind dabei aktiver als andere Altersgruppen:  78 Prozent der jungen Erwachsenen verlassen für solche Aktivitäten das Haus. Personen im Rentenalter unternehmen ähnlich viele sonstige Wege wie Personen zwischen 35 und 64 Jahren.

 

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Meist unternehmen die Befragten Aktivitäten im Freien, wie Sport, Spaziergänge oder Gartenarbeit  (62% der Zweckangaben). Ein weiteres Viertel der genannten Zwecke sind Arzt- und Apothekenbesuche sowie medizinische Dienstleistungen (z.B. Physiotherapie).

 

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Gefragt nach ihren Einstellungen und Präferenzen bezogen auf den Wegfall von Freizeit- und anderen Aktivitäten aufgrund der Corona-Pandemie wird deutlich, dass soziale Kontakte derzeit besonders fehlen: Drei Viertel der Befragten vermissen es Freunde, Familienmitglieder und Bekannte zu treffen. Der Sport- und andere Freizeiteinrichtungen fehlt den Befragten etwas mehr (38% stimmen eher oder voll zu) als kulturelle Veranstaltungen (25% stimmen eher oder voll zu). 56% der Befragten finden leicht Freizeitaktivitäten, die sie auch zu Hause durchführen können.

 

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Zur Studie

Die Ergebnisse basieren auf einer repräsentativen Befragung für Deutschland zum Mobilitätsverhalten während der Corona-Pandemie. Die Stichprobe umfasst 1.000 Personen in Deutschland im Alter zwischen 18 und 82 Jahren. Inhalte der Erhebung sind Verkehrsmittelnutzung vor und während der Krise, Mobilität in Zusammenhang mit Einkaufen, Arbeiten, Freizeit und Reiseverhalten, persönlicher Umgang, Strategien und Einstellungen mit der momentanen Situation. Das Erhebungsinstitut Kantar (https://www.kantardeutschland.de/) führte die Befragung im Auftrag des DLR-Instituts für Verkehrsforschung (https://www.dlr.de/vf) im Zeitraum vom 6. bis 10. April 2020 in Form einer Online-Erhebung durch. Die Mobilitätsforscherinnen planen, im Rahmen einer zweiten Erhebungsphase dieselben Personen erneut zu befragen, um auch die längerfristigen Auswirkungen auf das Mobilitätsverhalten zu untersuchen.

Die Forschungsarbeit wurde durchgeführt vom Team Dr. Christine Eisenmann, Viktoriya Kolarova und Dr. Claudia Nobis, unter Mitarbeit von Dr. Christian Winkler und Prof. Dr. Barbara Lenz.