Wasserstoff – Eine bezahlbare Klimawende? Kurzinterview mir Prof. Dr. Tjark Siefkes

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Wasserstoff – Eine bezahlbare Klimawende?


Das Bundesverkehrsministerium (BMVI) hat am 10.11.2020 einen Wettbewerb zur Standortwahl eines Technologie- und Innovationszentrums Wasserstofftechnologie für Mobilitätsanwendungen gestartet. Das Zentrum soll Teil des Netzwerks des geplanten Deutschen Zentrums Mobilität der Zukunft werden.

Kurzinterview mir Prof. Dr. Tjark Siefkes vom DLR-Institut für Fahrzeugkonzepte zum Thema Wasserstoff:

Um die Klimaschutzziele zu erreichen muss die Energiewende erfolgreich sein. Sie wird erfolgreich, wenn innovativer und intelligenter Klimaschutz mit Versorgungssicherheit, Umweltverträglichkeit und Bezahlbarkeit kombiniert wird. Dafür setzt Deutschland unter anderem mit Wasserstoff auf eine alternative Option zu den derzeit noch eingesetzten fossilen Energieträgern. Die dazu benötigten Technologien müssen zum großen Teil in ihrem Reifegrad weiterentwickelt und wesentlich kostengünstiger gestaltet werden.

Um den Einsatz dieser Technologien auch in Deutschland im Industriemaßstab zu demonstrieren, sollen bis 2030 industrielle Produktionsanlagen von bis zu 5 GW Gesamtleistung einschließlich der dafür erforderlichen Offshore- und Onshore-Energiegewinnung entstehen. Das ist 10 Prozent dessen, was als Bedarf veranschlagt wird. Für den Zeitraum bis 2035 werden nach heutigem Stand weitere 5 GW zugebaut. Neben der Prüfung, ob die Wasserstoffproduktion über Ausschreibungen von Elektrolyseleistungen gefördert werden kann, soll der Umstieg von fossilen Energieträgern auf Wasserstoff in der Entwicklung und Prozessumstellung gefördert und die regulatorischen Grund-lagen für den Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur zügig umgesetzt werden.

Für die bodengebundenen Mobilitätsträger bedeutet das, dass der koordinierte Aufbau einer bedarfsgerechten Wasserstoff-Tankinfrastruktur zur Versorgung der Fahrzeuge auch im schweren Straßengüterverkehr, im ÖPNV und im Schienenpersonennahverkehr gefördert wird. Des Weiteren sind Förderungen für die Forschung, Entwicklung und Innovation mit dem Ziel geplant, die Kosten der Technologien zur Nutzung von Wasserstoff weiter zu reduzieren. Demonstrationen in Form von Reallaboren sind angedacht. Am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt wird schon seit vielen Jahren an Wasserstofftechnologien geforscht. Prof. Dr. Tjark Siefkes, stellvertretender Leiter des Instituts für Fahrzeugkonzepte, berichtet wie diese Vision in den nächsten Jahren aussehen könnte.

Prof. Dr. Tjark Siefkes, Institutsleiter, Institut für Fahrzeugkonzepte

Frage 1: In wie weit spiel das Thema Wasserstoff für die zukünftige Mobilität eine Rolle? Werden wasserstoffbetriebene Fahrzeuge in der Zukunft einen relevanten Anteil auf dem PKW-Markt haben können?

Wasserstoff spielt eine vielfältige Rolle sowohl in der Mobilität direkt, als auch im Zusammenspiel von Mobilität und anderen Energieverbrauchern. Auf das Volumen bezogen, besitzt Wasserstoff eine ähnliche Energiedichte wie die derzeit in PKWs eingesetzten Batterien, auf das Gewicht bezogen allerdings eine 30 Mal höhere Energiedichte. Batterien scheiden somit in den Fahrzeugsegmenten ab 20 Tonnen aufgrund der notwendigen Batteriegewichte aus. Für große und schwere Fahrzeuge, wie zum Beispiel Regionalzüge, haben wir bereits Wasserstoffantriebe mit Brennstoffzellen realisiert und Nutzfahrzeugkonzepte werden vorangebracht. Ein sehr spannendes Thema ist die Nutzung der im Fahrzeug verbauten Brennstoffzelle zur Gewinnung von Strom und Wärme, wenn regenerative Energien nicht zur Verfügung stehen, zum Beispiel bei Flaute oder Dunkelheit. Strom und Wärme kann dann bei abgestelltem Fahrzeug zum Beispiel in Gebäude eingespeist werden. Hierzu sind entsprechende Preiskonzepte notwendig, um die notwendigen Anreize für diese neuartige Nutzung von Fahrzeugen zu generieren. Ich persönliche gehen davon aus, dass ab Mitte der 30er Jahre mindestens ein Drittel des Verkehrs mit Wasserstoff betrieben wird.

Frage 2: Batterieelektrische Fahrzeuge sind teuer – werden wasserstoffbetriebene Fahrzeuge erschwinglicher sein?

Diese Frage kann so allgemein nicht beantwortet werden. Je größer das Fahrzeug, desto mehr nähern sich die Kosten für ein Wasserstoffantrieb, denen eines reinen Batterie-elektrischen Fahrzeugs an. Ein Wasserstoffbetriebenes zweisitziges Fahrzeug wird wesentlich teurer in der Anschaffung sein, als ein Batterie-elektrisches. Die Anschaffungskosten für einen Regionaltriebzug werden sich für beide Technologien in der gleichen Größenordnung belaufen. Nebenbei bemerkt, auch Wasserstofffahrzeuge haben Batterien mit an Bord. Diese werden u.a. verwendet, um die Brennstoffzelle vorzuheizen oder um zusätzliche Spitzenleistungen, z.B. für das Anfahren, zu erzeugen. Je größer diese Batterien dimensioniert werden, desto höher der Preis für den Wasserstoffantrieb.
Wesentlich kniffliger wird es, wenn die Betriebskosten betrachtet werden. Hier muss es uns gelingen für den normalen Nutzer eines Fahrzeugs Faustformeln zu entwickeln, die eine Abwägung zwischen den einzelnen Technologien ermöglicht; genauso wie als grober erster Anhaltwert gilt: Diesel sind ab 20.000km Jahresfahrleistung günstiger als Benziner.

Frage 3: Ein viel genannter Begriff im Zusammenhang mit dem Wasserstoff ist die Sektorenkopplung. Was steckt dahinter?

Durch die Kopplung eines Brennstoffzellensystems in einem Fahrzeug mit dem Stromverbrauch eines Haushalts kann die Nutzungszeit des Brennstoffzellensystems erhöht werden. Das Fahrzeug wird nicht mehr nur als Fortbewegungsmittel sondern auch als Lieferant von elektrischer Energie genutzt, wodurch sich der Mehrwert der Investition erhöht.  

 

Frage 4: Was ist dafür nötig – wie muss sich die Infrastruktur anpassen?

Um Wärme und/oder Strom vom Fahrzeug in ein Gebäude einzuspeisen müssen auf beiden Seiten die Anschlüsse dafür vorhanden sein und beide Seiten müssen auch über eine Datenverbindung miteinander kommunizieren können. Das Fahrzeug muss z.B. dem Gebäude mitteilen, wieviel Energie es abgeben kann, so dass es die nächste anstehende Fahrt auch problemlos schafft. Und natürlich muss eine räumliche Nähe des Parkplatzes und des Gebäudes gegeben sein.

Frage 5: Was halten sie von der Formulierung bzw. der Aussage aus dem Koalitionsausschuss des 3. Juni 2020 der Bundesregierung, Deutschland bei modernster Wasserstofftechnik zum Ausrüster der Welt zu machen?  

  Deutschland ist nicht nur ein Land der Dichter und Denker, sondern auch ein Land der Ingenieure. Die Erfüllung dieses Anspruchs beglückt uns mit vielen Arbeitsplätzen. Den Anspruch modernster Wasserstofftechnik-Ausrüster der Welt zu werden kann ich somit sehr gut nachvollziehen. Die Umsetzung beding aber zweierlei: zum einen braucht es die entsprechende Förderung aus der Politik, zum anderen auch die Unterstützung und den Mut aus der Bevölkerung Neues zu erzeugen. Meine Aufgabe sehe ich entsprechend: der Politik aus wissenschaftlicher Sicht heraus aufzuzeigen welche Technologien förderwürdig sind und der Bevölkerung die Ängste für Neues zu nehmen und ihnen den notwendigen Mut zu geben. Ein sehr gutes Mittel dafür ist die direkte Bürgerbeteiligung, welches das DLR konsequent anwendet.

Frage 6: Welchen Beitrag leistet das DLR zu diesem Ziel?

Im DLR haben wir einige hundert Forscher, die sich mit dem Thema Wasserstoff intensiv beschäftigen, von der Erzeugung über den Transport, die Lagerung und die Anwendung. Wir untersuchen das Gesamtsystem, stimmen die einzelnen Technologien auf ein optimales Zusammenspiel ab und haben damit den Wissensvorsprung der nötig ist, um modernster Wasserstofftechnik-Ausrüster der Welt zu werden.