Verkehrsplanung in Krisenzeiten

Verkehrsplanung in Krisenzeiten am Beispiel der Covid-19-Pandemie

Kerstin Stark, Ariane Kehlbacher, Julia Schuppan und Laura Gebhardt, DLR Institut für Verkehrsforschung

Stand Juli 2021

Hintergrund zur Studie

Unter welchen Bedingungen und zu welchem Grad findet Verwaltungshandeln in Krisenzeiten statt und welche Herausforderungen und Anforderungen ergeben sich für die Stadt- und Verkehrsplanung? Die Covid-19-Pandemie stellt die Arbeitsfähigkeit der Verwaltung und ihre Resilienz auf die Probe. Zugleich wird die Krise auch als Chance wahrgenommen und es zeigen sich innovative Umgangsweisen mit der Krise. Das DLR-Institut für Verkehrsforschung führt in diesem Zusammenhang eine Studie zum Verwaltungshandeln in Krisenzeiten mit Fokus auf Stadt- und Verkehrsplanung durch.

In qualitativen Leitfadeninterviews wurden im Herbst 2020 insgesamt 34 Expert*innen aus der Stadt- und Verkehrsplanung, politische Entscheidungsträger*innen, der Zivilgesellschaft, privaten und öffentlichen Mobilitätsanbietern in vier deutschen Städten (Berlin, Bremen, Stuttgart, Leipzig) sowie überregionale Expert*innen befragt. Es wurden Faktoren für die (Nicht-)Umsetzung temporärer Maßnahmen herausgearbeitet und drei idealtypische Formen von Verwaltungshandelns entwickelt: der opportunistische, der Nachahmungs- und der Nicht-Handlungstyp. Als übergeordnete Einflussfaktoren auf das Verhalten von Verkehrsverwaltungen bzgl. der Implementierung von Maßnahmen anlässlich der Pandemie haben wir Arbeitsfähigkeit und -kultur, Prioritäten und Handlungsbedarf, -fähigkeit und -druck identifiziert.

Darauf aufbauend wurde im Frühjahr 2021 eine Befragung von Entscheidungsträger*innen in Kommunen in allen Bundesländern durchgeführt (n=370). Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass in den Kommunen häufig bereits vor der Covid-19-Pandemie ein Bedarf an Fuß- und Radverkehrsinfrastrukturen bestand. Außerdem zeigt sich, dass obwohl die Covid-19-Pandemie von vielen Gemeinden als Gelegenheitsfenster zur Implementierung von temporären Fahrradwegen wahrgenommen wurde, der Umsetzungsgrad letztendlich eher davon abhängt, ob es bereits vor der Pandemie entsprechende Pläne für die Ausweitung von Fahrradwegen gab. Gleichzeitig zeigt sich, dass die räumlichen Bedingungen, finanziellen und personellen Voraussetzungen der Städte sehr unterschiedlich sind und Konzepte von ressourcenstarken Gemeinden nicht gut auf andere Räume übertragbar sind. Das Interesse von kleineren und mittleren Kommunen an der Befragung war groß, bemessen an der Rücklaufquote und räumlichen Verteilung der Teilnehmenden. Persönliche Kontaktaufnahmen seitens der Kommunen zeigten Interesse an einem Transfer der Erkenntnisse zu Konzepten der nachhaltigen Stadt- und Verkehrsentwicklung, der sich nicht auf die Übertragung der Erfahrungen von Vorreiter-Städten wie Berlin begrenzt, sondern anhand lokaler Spezifika Impulse für die Entwicklung eigener Konzepte setzt.

Rückkopplung mit Praxis: Praxis-Check

Zur Reflexion und Erweiterung der Erkenntnisse aus den aufeinander aufbauenden Erhebungen soll zusammen mit Praxisakteur*innen und Multiplikatoren wie z. B. das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) ein Workshop durchgeführt werden. Im Programm des Workshops soll den spezifischen Anforderungen unterschiedlicher Kommunentypen Rechnung getragen werden. Auf Basis der Ergebnisse der Erhebungen, welche zielgruppengerecht aufbereitet und im ersten Teil des Workshops präsentiert werden, soll eine strukturierte Diskussion erfolgen. Mögliche Leitfragen sind dabei folgende:

  • Welche Maßnahmen in der Stadt- und Verkehrsplanung wurden unternommen bzw. zumindest erwogen? Welche Art von Maßnahmen? Wie wurden diese umgesetzt, insb. auch in Bezug auf Beteiligung? Welche Motivation und welche Ziele waren mit der Umsetzung bzw. Nicht-Umsetzung verbunden? Welche Rolle spielten Pandemie-ferne Faktoren wie z. B. die öffentliche Meinung, die politische Konstellation, begrenzende räumliche Gegebenheiten etc.? Was sind bisher vernachlässigte Faktoren unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Kommunen-Typen?
  • Was sind Effekte der temporären Maßnahmen für die langfristige Schaffung von Radinfrastruktur und wie werden sie gemessen? Wird die anschließende Verstetigung durch was? beschleunigt? Werden unkonventionelle Maßnahmen nachträglich mit konventionellen kombiniert?