KoKoVI – Verkehr als kooperatives und vernetztes System

Automatisierte Fahrzeuge können die Infrastruktur nutzen, um ihre Umfelderfassung zu erweitern.
©DLR (CC BY-NC-ND 3.0) Automatisierte Fahrzeuge können die Infrastruktur nutzen, um ihre Umfelderfassung zu erweitern.

Um die zukünftigen Mobilitätsbedürfnisse der Gesellschaft zu erfüllen und gleichzeitig den Straßenverkehr sicherer, effizienter und umweltfreundlicher zu gestalten, arbeitet das Programm Verkehr des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) an Technologien zur Vernetzung der einzelnen Verkehrsteilnehmenden in zukünftigen Mobilitätssystemen. So kann das zur Verfügung stehende Straßennetz optimal ausgenutzt werden. Das Projekt KoKoVI sieht daher den Verkehr als ein vernetztes System, in dem das Potential der Automatisierung und Digitalisierung genutzt werden kann. Acht Institute des DLR forschen gemeinsam an der Vernetzung und Kooperation von Fahrzeugen, Fahrradfahrern, Fußgängern und verkehrsinfrastrukturseitigen Anlagen wie Ampeln und Sensoren. Die aktive Integration von Infrastrukturkomponenten in das Verkehrssystem stellt einen zentralen Aspekt des Projektes dar.

Als Forschungsergebnis des Projekts KoKoVI werden die für die geplanten Anwendungsfälle ‚Virtuelle Haltstelle‘ und ‚Remote Operation‘ erforderlichen Komponenten entwickelt und im urbanen Verkehr in Braunschweig demonstriert. Dafür werden auch die Möglichkeiten des Testfeldes Niedersachsens und der Anwendungsplattform Intelligente Mobilität (AIM) zur simulationsbasierten Entwicklung sowie der realen Verkehrserfassung, Verkehrssteuerung und Vernetzung eingesetzt.

Virtuelle Haltestelle

Um das Klima adäquat schützen zu können und zugleich die zukünftige Mobilität in einem adäquaten Maß zu ermöglichen, bedarf es neuer technologischer Innovationen und bedarfsgerechter Mobilitätskonzepte. Dabei kommt es darauf an, die zur Verfügung stehenden Ressourcen optimal einzusetzen und beispielsweise Fahrzeuge im Rahmen von Ride Sharing gemeinsam zu nutzen. Das automatisierte Fahren kann die Etablierung bedarfsgerechter Mobilitätsangebote im ländlichen und urbanen Raum unterstützen, indem automatisierte Shuttledienste mit virtuellen Haltestellen entwickelt werden. Hierbei können die Nutzenden über eine App auf ihrem Smartphone das automatisierte Shuttle an einer beliebigen Stelle entlang der Fahrroute anhalten lassen, um zuzusteigen oder auszusteigen. Laufwege zu regulären Haltestellen können so vermieden und lange Wartezeiten durch die Echtzeit-Angaben in der App reduziert werden. Bereits heutige Mobilitätsdienstleister bieten Shuttledienste mit flexiblen Haltestellen mit manuell gefahrenen Fahrzeugen in größeren Städten an.

©DLR (CC BY-NC-ND 3.0) Nutzende werden per App zur Digitalen Haltestelle hingeführt.

Der Einsatz von autonomen Fahrzeugen bringt jedoch eine Vielzahl von neuen Herausforderungen mit sich, wie beispielsweise die Anfahrt und das Anhalten des automatisierten Fahrzeugs an der virtuellen Haltestelle unter gleichzeitiger Berücksichtigung anderer Verkehrsteilnehmer wie Radfahrer sowie dem fließenden und ruhenden Verkehr. In diesem Anwendungsfall erproben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler daher den gesamten Prozess von der Bestellung des Shuttles über die Anfahrt an einer virtuellen Haltestelle bis zur Abfahrt. Ausgangspunkt ist das Bestellen eines Shuttles durch die Nutzenden per App. Anschließend begeben sich sowohl die Nutzenden als auch das Shuttle zur virtuellen Haltestelle. Hierzu laufen im Hintergrund verschiedene Prozesse ab. So legt eine Distributionssoftware den Standort der virtuellen Haltestelle fest und ermittelt die Route für das Fahrzeug. Gleichzeitig führt die App die Nutzenden über Augmented Reality-Darstellungen ebenfalls dorthin. Dabei zu überquerende Ampeln passen ihre Steuerung dynamisch an die Routenführung der Nutzenden an und sperren zusätzlich Fahrbahnbereiche, damit das automatisierte Fahrzeug sicher anhalten kann. Nun erfolgen der Einstieg und die Abfahrt des Shuttles.

Remote Operation

Die Forschung und Entwicklungen zum automatisierten Fahren sind in den letzten Jahren stark vorangeschritten und erste automatisierte Fahrzeuge fahren im Realverkehr unter kontrollierten Bedingungen (z.B. Waymo (USA), HEAT (Hamburg), First Mover (Berlin)). Treten jedoch unvorhergesehene Situationen wie eine komplizierte Baustelle auf, mit denen die automatisierte Fahrfunktion derzeit noch überfordert ist, sieht beispielsweise der derzeitige Stand bei Waymo vor, dass eine technische Aufsicht hinzugezogen wird. Dies ist auch das aktuelle Verständnis in der Forschung. Wenn automatisierte Shuttledienste künftig jedoch auf größere Flotten und umfangreichere Gebiete ausgeweitet werden, ist diese Lösungsstrategie nicht mehr handhabbar. Es müssen deshalb effiziente Lösungen entwickelt werden, wie potenziell problematische Situationen frühzeitig erfasst und anschließend effizient gelöst und umgesetzt werden können. Aktuell gibt es keine implementierte Lösungsansätze, wie mit komplizierten Situationen, in denen das Fahrzeug stehen bleibt und nicht mehr weiterfährt, umgegangen wird. Mögliche Lösungen reichen derzeit von Re-Routing über eine kurzfristige Erweiterung des Betriebsbereichs der automatisierten Fahrfunktionen durch Zusatzinformationen aus der Infrastruktur bis hin zur Einbindung des Remote Operateurs als externe technische Aufsicht, die mit dem Fahrzeug vernetzt ist und einen alternativen Fahrweg übermittelt.

Der Anwendungsfall Remote Operation thematisiert deshalb unvorhergesehene Situationen, in denen die automatisierte Fahrfunktion an ihre Betriebsgrenzen kommt. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erproben die Überprüfung der Einhaltung der Betriebsgrenzen der automatisierten Fahrfunktionen sowie die Durchführung einer Remote Operation durch eine technische Aufsicht als eine mögliche Lösungsoption. Hierzu fragt das automatisierte Fahrzeug die Remote Operation an und der Remote Operator initiiert eine entsprechende Lösung.

©DLR (CC BY-NC-ND 3.0)Der Remote-Operator unterstützt das automatisierte Fahrzeug außerhalb der Operational Design Domain.

 

Projektname:
KoKoVI - Koordinierter kooperativer Verkehr mit verteilter, lernender Intelligenz

Laufzeit:
01/2022 bis 12/2024

Projektvolumen:
16,2 Mio € Vollkosten

Projektkoordinator:
DLR-Institut für Verkehrssystemtechnik

Beteiligte DLR-Institute:
Flugexperimente
Institut für Flugsystemtechnik
Institut für Kommunikation und Navigation
Institut für Methodik der Fernerkundung
Institut für Optische Sensorsysteme
Institut für Systems Engineering für zukünftige Mobilität
Institut für Verkehrsforschung