Im Auftrag der Wissenschaft zum Rockkonzert

Fast jeder kennt das unangenehme Gefühl in einer Menschenmenge zu stehen und kaum vor oder zurück zu kommen. Gedränge, das an Ein- und Ausgängen von großen Veranstaltungen, im Bühnenbereich von großen Konzerten oder auf Weihnachtsmärkten zur Stoßzeit in Kauf genommen wird, kann auch schnell bedrohlich werden. Doch wie lassen sich kritische Menschenmengen erkennen, bevor jemand zu Schaden kommt? Die Wissenschaftler im Projekt VABENE++ arbeiten an Bildverarbeitungsmethoden um dichte Menschenmengen mit Hilfe von Luftbildern zu analysieren, damit Veranstalter und Sicherheitskräfte künftig schneller reagieren können.

Vor allem an Engstellen oder in Warteschlangen, in die immer weitere Personen nachrücken, entstehen kritische Personendichten. Ab einer Personendichte von 3,5 Personen pro Quadratmeter lässt sich bereits nicht mehr selbst bestimmen, in welche Richtung man geht und bei Personendichten ab 6,5 Personen pro Quadratmeter können körperliche Schäden in Form von Brustkorbquetschungen (traumatische Asphyxie) die Folge sein. In der Vergangenheit kam es bei großen Veranstaltungen auf diese Weise auch immer wieder zu Todesfällen (2000: Roskilde Festival, Dänemark; 2010: Loveparade, Duisburg; 2013: Madhya Pradesh, Indien). Seitens der Veranstalter werden inzwischen verschiedene Gegenmaßnahmen getroffen. Personenströme werden kontrolliert gelenkt und Engstellen nach Möglichkeit vermieden, doch oft lassen sich dichte Menschenmengen nicht vollständig verhindern. Aus diesem Grund werden zunehmend Überwachungskameras installiert, um kritische Situationen frühzeitig zu erkennen und schnell eingreifen zu können. Trotzdem werden besonders spontane Ansammlungen oft nicht schnell und genau genug erfasst.

Daher wird an Bildverarbeitungsverfahren geforscht, um kritische Personendichten automatisiert und somit schnellstmöglich aus Fotos abzuleiten. Im Projekt VABENE++ entwickeln Wissenschaftler des DLR Bildverarbeitungsmethoden um die Personendichte aus Luftbildern zu schätzen, die von Flugzeugen oder Hubschraubern aus aufgenommen wurden - mit ersten Erfolgen. So konnten zum Beispiel dichte Menschenansammlungen im Bühnenbereich von Rockkonzerten aus Luftbildern vollautomatisch erkannt werden. Verwendet werden spezielle trainierbare Algorithmen, die basierend auf einer Vielzahl von Einzelbildern „lernen“ Menschenmengen zu analysieren und die Ergebnisse kontinuierlich verbessern. Die Kamerasysteme aus VABENE++ übertragen ihre Aufnahmen unmittelbar zum Boden, was eine zeitnahe Weitergabe der Ergebnisse an Veranstalter und Entscheidungsträger ermöglicht. Zudem bleibt bei einem einfachen Blick von oben die Privatsphäre der Besucher gewahrt, da keine Einzelpersonen erkannt, sondern Menschen allgemein als Textur im Luftbild analysiert werden. Aktuell wird nun an der genauen Kalibrierung der Methoden gearbeitet um nicht nur Menschenansammlungen zu detektieren, sondern auch die Personendichte zu schätzen. Ein weiterer Schritt um den Besuch von Großveranstaltungen künftig noch sicherer und unbeschwerter zu machen.